Die Schienen des Krieges. Eine Eisenbahninitiative der Union zur Verteidigung der Ukraine

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The Lithuania Tribune, July 26, 2022

Die ukrainischen Behörden haben vor kurzem einen Aufruf zu Vorschlägen veröffentlicht, die die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit des Landes zum Gegenstand haben. Hier wäre ein Vorschlag, von dem wir glauben, dass er dazu beitragen könnte, sowohl die unmittelbare als auch die längerfristige Verteidigung des Landes zu stärken. Und darüber hinaus könnte er zur Integration der Ukraine in den Europäischen Wirtschaftsraum beitragen.

Hintergrund der Idee ist die Feststellung, dass beim Nachschub der Armee der Russischen Föderation, ebenso wie bereits beim Nachschub der sowjetischen Armee, der Schienentransport im Zentrum steht. Um es der russischen Armee zu erschweren, das ukrainische Eisenbahnnetz für den Transport von Menschen, Ausrüstung und Munition zu nutzen, zielt der Vorschlag folglich darauf ab, entlang der Grenzen der Ukraine zu Russland und Weißrussland logistische „Umschlagspunkte“ einzurichten, die die Transportkette unterbrechen. 1

Anders ausgedrückt ginge es darum, alle Abschnitte (50 – 100 km) des ukrainischen Eisenbahnnetzes, die diese Grenzen mit den verschiedenen regionalen Zentren verbinden, von der derzeitigen sowjetischen Spurweite (1520 mm) auf die europäische Spurweite (1435 mm) umzustellen. Dadurch würde ein regionales Eisenbahnnetz entstehen, das es den Bewohnern dieser Grenzregionen weiterhin ermöglichen würde, dieses Transportmittel zu nutzen, während die Nutzung durch den russischen Aggressor nur um den Preis hoher Umschlagskosten möglich wäre.

Zunächst ginge es darum, die Verbindungen zwischen der weissrussischen Grenze und den ukrainischen Städten Kove, Rivne, Korosten und Chernihiv sowie zwischen der russischen Grenze und Konotop, Charkiw usw. umzustellen. Bis zu einem Zeitpunkt, da die ukrainische Armee über ausreichende Luftabwehr- und Artillerieaufklärungsmittel verfügt, um einen wirksamen Schutz des in diesen Grenzgebieten arbeitenden Personals zu gewährleisten, könnten sich die Umbauarbeiten auf den letzten Kilometern, die sich noch in Reichweite der russischen Artillerie (30 km) befinden, dort zunächst auf den Abbau der bestehenden Anlagen beschränken.

In einem zweiten Schritt könnten weitere Abschnitte, die sich derzeit in Russisch besetzten Gebieten befinden, nach deren Befreiung durch die ukrainischen Streitkräfte, umgebaut werden: Dies beträfe z.B. die Abschnitte zwischen der russischen Grenze und Izium, Luhansk, Kraznyiluch und Makijvka, oder den Abschnitt zwischen Mariupol und Donezk, die Bereiche zwischen Berdiansk und Dnipro, zwischen Simferopol und Melitopol, bzw. zwischen Kerch und Cherson usw.

Etwas gegen den allgemeinen Trend gesehen, würde es ein solches Projekt auch erlauben, die notwendige Modernisierung des ukrainischen Eisenbahnnetzes nicht über die Hauptachsen zwischen den großen Städten der Ukraine einzuleiten, sondern mit den Strecken zu beginnen, die die Randgebiete des Landes mit einer Reihe regionaler Zentren verbinden. Nach Angaben des Infrastrukturministeriums wurden im Jahr 2021 90% des rollenden Materials als ausmusterungswürdig eingestuft und 11.000 km der insgesamt 27.000 km Gleise benötigen dringende Instandhaltungsmassnahmen.

Das ukrainische Verkehrsministerium und die Ukrainische Eisenbahngesellschaft (Ukrzaliznytsia) könnten den Gesellschaften und Netzbetreibern der EU-Länder vorschlagen, sich im Rahmen des Projektes an dem einem oder dem anderen der umzubauenden Abschnitte zu beteiligen, indem sie insbesondere die an die europäische Spurweite angepassten Baumaschinen sowie die erforderlichen neuen Schienenfahrzeuge zur Verfügung stellten. Ein solches Projekt könnte zudem Teil eines Wiederaufbauplanes sein, an dem die ukrainischen Behörden und verschiedene internationale Organisationen bereits arbeiten. Es hätte den Vorteil, dass es bereits vor Ende des Krieges gestartet werden könnte und – da es sich um ein Wiederaufbauprojekt handelt- könnte sich die Europäische Kommission aller Wahrscheinlichkeit nach sogar an seiner Finanzierung beteiligen.

Last but not least könnte ein solches Projekt in einer Zeit, in der Hunderttausende Ukrainer aufgrund der von Russland betriebenen Politik der massiven Zerstörung öffentlicher Infrastruktur und privater Unternehmen ihren Arbeitsplatz verloren haben, die Gelegenheit bieten, einer großen Zahl von Ukrainern neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Übersetzung von Christoph Maier | Voxeurop

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Notes:

  1. Estland, Lettland und Litauen stehen vor demselben Problem.

3 thoughts on “Die Schienen des Krieges. Eine Eisenbahninitiative der Union zur Verteidigung der Ukraine

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